Von Malin Hoffhenke und Niklas Stumpe
10.03.2024
Partizipation ist Ausdruck einer lebendigen Demokratie. Mit kommunalen Gremien wie Jugendparlamenten oder Seniorenvertretungen können Beteiligungsstrukturen für bestimmte Bevölkerungs- und Interessensgruppen geschaffen werden. In unseren nicht repräsentativen qualitativen Masterarbeiten untersuchen wir unabhängig die Funktionsweise von Jugendparlamenten (Hoffhenke) und Seniorenvertretungen (Stumpe). In der ZEKOS-Diskussionsgruppe ‚Habermas-Nerds‘ wurden die Ergebnisse verglichen und diskutiert:
Ergebnisse Jugendparlament
In Gruppendiskussionen mit sechs Jugendparlamenten stellte sich heraus, dass diese es als Aufgabe ihres Engagements sehen, die Interessen von Jugendlichen in der Kommune zu vertreten. Dafür holen die Jugendparlamente unterschiedliche Meinungen ein, um für möglichst viele Jugendliche sprechen zu können. Als Hürden beschreiben die Jugendparlamente dabei vor allem die nicht jugendfreundliche Arbeitsweise der Politik, ebenso sei es schwierig andere Jugendliche zu erreichen, um über die eigene Arbeit zu informieren.
Ergebnisse Seniorenvertretung
Die zwei untersuchten niedersächsischen Seniorenvertretungen kreisfreier Städte verstehen ihr soziales und politisches Engagement als eines für alle Generationen. Seniorenvertretungen scheinen vor allem als formelles und informelles Netzwerk politische Impulse setzen zu können und soziale Hilfe zu leisten. Besonders wichtig scheint deswegen die Anerkennung des Gremiums in der Kommune durch Zuhören, Ansprache des Gremiums, Information, fachliche Begleitung und organisatorische Unterstützung zu sein.
Gemeinsamkeiten
Beide Gremien übernehmen die Rolle einer Stellvertretung für eine Bevölkerungsgruppe eines bestimmten Alters mit besonderen Bedürfnissen. Senior*innen und Jugendliche können so unkompliziert angesprochen und als ‚beteiligt‘ erklärt werden. Obgleich Jugendparlamente und Seniorenvertretungen in einem Verfahren gewählt werden, sichern die Wahlverfahren keine Repräsentativität. Die Gremien haben keine direkte Entscheidungsmacht im politischen Bereich und können bestenfalls Impulse geben und verstärken. Das Engagement ist in den Gremien anspruchsvoll und voraussetzungsreich. So gibt es besondere Verfahren, Sprechweisen und kommunale Strukturen, die es für freiwillig Engagierte zu meistern gilt. Trotz dieser Herausforderungen liegen die Stärken der beiden Beteiligungsgremien in den sozialen und politischen Aktivitäten, der Öffentlichkeitsarbeit, der Persönlichkeitsentwicklung und der Mitwirkung an einer inklusiven Gesellschaftsentwicklung.
Unterschiede
Seniorenvertretungen haben tendenziell eine größere Handlungsmacht als Jugendparlamente. Da beide Gremien keine formale Macht haben, ist die Bedeutung informeller Beziehungen und von Anerkennung in der Kommune sehr bedeutsam. Auf Grund der politischen, beruflichen und sozialen Biografie haben Seniorenvertreter*innen in der Regel umfassende Fähigkeiten und Netzwerke, ihre Interessen in bilateralen Gesprächen, in kommunalen Gremien und auf Veranstaltungen zu vertreten. Demgegenüber fehlen den Jugendlichen diese Netzwerke und Kontakte. Zudem kann vermutet werden, dass Seniorenvertreter*innen als Erwachsene eher als Person anerkannt werden als Jugendliche. Erheben die befragten Senior*innen durchaus den Anspruch, für alle Senior*innen zu sprechen, sind die befragten Jugendlichen der Auffassung, dass die Jugendparlament nicht die Heterogenität der Jugend vor Ort vertreten könnten. Die betrachteten Jugendparlamente beschreiben die Arbeitsweise der Politik als nicht jugendgerecht. Daher stehen sie vor der Herausforderung eine Balance zwischen der Zusammenarbeit mit Politik und Verwaltung und der Ansprache von Jugendlichen zu finden. In den untersuchten Seniorenvertretungen können die Senior*innen sehr gut zwischen sachlichen Forderungen und lebensweltlichen Erzählungen zur Interessensdurchsetzung wechseln.
Fazit
Trotz ihrer Tücken und der Gefahr einer Instrumentalisierung können Seniorenvertretungen und Jugendparlamente als wichtige Beteiligungsformate angesehen werden. Allerdings erscheint es notwendig, Partizipation über die Interessen von Teilgruppen hinaus zu entwickeln. Kommunen sollten daher vor der Herausforderung stehen, kommunale Engagementstrategien zu entwickeln.
Habermas-Nerds
Demokratie. Bildung. Diskussion. Die Habermas-Nerds kombinieren konkrete Erfahrungen und Projekte aus Schule, Jugendarbeit und Forschung mit Demokratietheorien. Interessierte sind herzlich eingeladen, an den Online-Treffen in einem Abstand von etwa sechs Wochen teilzunehmen: kontakt@zekos-ev.de.
Bildverzeichnis
Nunes, Diogo (2020): Lila und weiße Graffiti an der Wand. https://unsplash.com/de/fotos/lila-und-weisse-graffiti-an-der-wand-_gnlBfxCL4A [letzter Abruf: 10.03.2024].