Der Weg zur partizipativen Haltung

Partizipative Grundhaltung. Was sie ausmacht und was sie beeinflusst – eine Annäherung.  

In der 9. zekos Sitzung haben wir uns dem Thema „Partizipationsfördernde Haltung und Demokratiebildung“ gewidmet. Grundlage der Diskussion war zum einen ein Artikel unserer Mitglieder (Derecik/ Goutin und Michel 2018, S. 82-88), sowie ein kurzer Input von Peter große Prues. Anschließend haben wir darüber diskutiert, warum man sich überhaupt mit Haltung beschäftigen sollte, was eine partizipationsfördernde Haltung ausmacht und welche Bedingungen diese fördert oder behindert.

Haltung als innere Grundeinstellung umfasst viele Begriffe wie subjektive Theorien, Einstellungen, Vorstellungen, Überzeugungen, Meinung u.v.m. Sie speist sich unter anderem aus gemachten Erfahrungen, Anforderungen an die Person, Strukturen und Organisationssystemen. Oftmals ist sie einem gar nicht konkret bewusst, dennoch ist sie handlungsleitend und damit machtvoll in der pädagogischen Arbeit. Warum und wie ich mich zu etwas verHALTE, eröffnet Kindern und Jugendlichen Partizipationsräume – oder auch nicht. Partizipation beginnt im Kopf!

 

Welche Haltung begünstigt Partizipation?

Grundlage unserer Überlegungen war die Lektüre von Derecik/ Goutin und Michel (2018, S. 82-88). Hier werden in Anlehnung an Knauer und Sturzenhecker (2011, S.11) Aspekte einer partizipationsförderlichen Haltung von Lehrkräften benannt (siehe Betragsbild).

 

Partizipation kann demnach nur mit einer geteilten Macht bzw. Machtabgabe funktionieren. Lehrkräfte oder Sozialpädagog:innen müssen in der Lage sein, Kontrolle abgeben zu können. Dies bedarf wiederum Vertrauen in die Heranwachsenden sowie eine prozessoffene Haltung. Nur, wenn eine Fachkraft darin vertraut, dass Kinder und Jugendliche eine gewisse Mündigkeit besitzen und Expert:innen ihrer Lebenswelt sind, kann der Schritt zur Machtabgabe gelingen. Dabei ist das Ergebnis bei Partizipationsprozessen per Definition offen. Wüsste man bereits, was herauskommt, wenn Kinder und Jugendliche selbst entscheiden, müsste man ihnen nicht die Entscheidungsmacht geben! Als weitere Aspekte werden das Prinzip der Freiwilligkeit und Geduld genannt. „Partizipation kann nicht auf Verordnung oder Zwang erfolgen, da dies einen Widerspruch zum demokratischen Handeln an sich darstellen würde. Freiwilligkeit ist demnach ein besonders bedeutender Bestandteil von Partizipation. Ein Recht auf Partizipation beinhaltet demzufolge auch ein Recht auf Verweigerung von Partizipation“ (Derecik/ Goutin und Michel 2018, S. 87 unter Verweis auf Knauer und Sturzenhecker 2005, S. 85). Partizipation geht häufig mit längeren Aushandlungsprozessen und Kompromissfindungen einher, die Geduld von Erwachsenen erfordern. Sie ist eine Komplexitätssteigerung – das muss man aushalten können! Zuletzt ist noch der Aspekt der Fehlerfreundlichkeit zu benennen, das heißt, dass unterschiedlichen Meinungen und Entscheidungen aller Beteiligten zugelassen werden sollten und Fehler und Scheitern als Bestandteil von Bildungsprozessen angesehen werden (vgl. ebd.).

 

Wie entwickelt sich eine partizipationsfreundliche Haltung?

In der Diskussion um die partizipative Haltung wurde bilanziert, dass die Aspekte der partizipationsfreundlichen Haltung sich aus einem bestimmten Menschen- bzw. Kinder- und Jugendbild, sowie einer Vorstellung von gelebter Demokratie speist.  So wird Kindern und Jugendlichen nur Macht übertragen, wenn ihnen Mündigkeit zugeschrieben wird sowie das prinzipielle Recht, ihre Meinung zu äußern, Verantwortung zu übernehmen und übernehmen zu können, eine leitende Basis ist. Dabei stellt Partizipation ein Grundsatz der pädagogischen Arbeit dar, die mit dem Verständnis einhergeht, dass Partizipation selbst Anerkennung der Autonomie ist, die man sich nicht erst verdienen muss, sondern auf das man qua Menschsein einen Anspruch hat. Kinder und Jugendliche werden dabei als Bürger:innen adressiert. Dies speist sich auch aus einem partizipativen und deliberativen Demokratieverständnis, die ihre Entsprechung in der Lebenswelt hat. Politik und Demokratie findeen im täglichen Miteinander statt und bedürfen somit Kommunikationsräumen. Unter diesen Umständen wird dann das Einende im Demokratischen gesucht.

Doch nicht nur das individuelle Gesellschafts- und Menschenbild beeinflusst die partizipative Grundhaltung. Auch Strukturen und Bedingungen in Institutionen können sich partizipationsfördernd oder -hindernd auswirken. So ist davon auszugehen, dass je enger die Arbeitsgestaltung, desto enger die Spielräume sind, die jungen Menschen eröffnet werden. Vertrauen, Fehlerfreundlichkeit und Offenheit sollten somit auch institutionell verankert sein und sich in demokratischen Strukturen niederschlagen, in denen es auch ein Anrecht auf Partizipation gibt. Wir gehen davon aus, dass eigene partizipative Erfahrungen sich positiv auf die Haltung der Fachkräfte auswirken – somit sollten diese selbst auch in der Gestaltung der Institution eingebunden werden.

 

 

Dieser Artikel wurde verfasst von Larissa Rathmer in Anlehnung an den Vortrag von

Ahmet Derecik, Lorena Menze und Peter Große-Prues